Τιβέριος Καίσαρας Αύγουστος: Διαφορά μεταξύ των αναθεωρήσεων

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[[Αρχείο:Tiberius&Livia Aureus.jpg|thumb|right|250px|Νομίσματα με τη μορφή του Τιβερίου]]
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== Η Ηγεμονία του Τιβερίου ==
 
=== Άνοδος στην εξουσία ===
 
[[αρχείο:Portrait of Tiberius - Портрет Тиберия A54, 1.jpg|miniatur|Προτομή του Τιβερίου, [[Ερμιτάζ]]]]
 
Με το θάνατο του Αυγούστου ο Τιβέριος σε ηλικία 55 ετών έγινε διάδοχός του. Επίσης η στρατιωτική του πείρα του επέτρεψε να φαίνεται ασυναγώνιστος. Στις 18 Σεπτεμβρίου του 14 Mit dem Tod des Augustus war der 55 Jahre alte Tiberius praktisch zum Nachfolger designiert. Auch seine militärischen Erfahrungen ließen ihn konkurrenzlos erscheinen. Am 18. September 14 n. Chr. ließ er den Senat einberufen, um die Leichenfeier und die [[Divinisierung]] für Augustus beschließen zu lassen. In dieser Senatssitzung wurde das private Testament des Augustus eröffnet. Tiberius und Livia waren als Haupterben eingesetzt, wobei Tiberius zwei Drittel und Livia ein Drittel der Erbschaft erhielten.<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#23 23].</ref> Durch das Testament wurde Livia adoptiert und zur ''Iulia [[Augusta (Titel)|Augusta]]'' erhoben.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#8 1,8,1].</ref> Livia, die bereits unter Augustus öffentlich als Teilhaberin am [[Prinzipat]] aufgetreten war und in der offiziellen [[Propaganda]] – etwa auf Münzen – als solche dargestellt wurde, konnte somit in ihrer neuen Stellung als Kaisermutter höchsten Einfluss ausüben. Bis zu ihrem Tod im Jahr 29 gelang es ihr in dieser Rolle, die zunehmenden Anfeindungen innerhalb der Kaiserfamilie, besonders angesichts der Nachfolgefrage, zu kontrollieren. Allerdings bestand ein Konkurrenzverhältnis zwischen der herrschsüchtigen Mutter und dem Sohn.
 
Trotz des eindeutigen Testaments des Augustus wartete Tiberius demonstrativ das ausdrückliche Ersuchen des Senats ab, die Kaiserwürde anzunehmen. Diese zögernde Haltung ''([[recusatio imperii]])'' kann damit erklärt werden, dass Tiberius allgemein als zurückhaltender Mensch galt; wahrscheinlicher ist jedoch, dass er bewusst den Rückhalt und die verbindliche Festlegung des Senats auf seine Person suchte, um als ehemals umstrittener Nachfolgekandidat seine Position zu stärken. Eine solche eher taktisch motivierte Zurückhaltung spiegelt sich auch darin, dass Tiberius in späteren Jahren häufig Rücktrittsgedanken äußerte.<ref>Hierzu ausführlich Ulrich Huttner: ''Recusatio Imperii. Ein politisches Ritual zwischen Ethik und Taktik''. Hildesheim u. a. 2004.</ref> Außerdem akzeptierte Tiberius zwar den Ehrenbeinamen [[Augustus (Titel)|Augustus]], den an Augustus verliehenen Titel ''[[pater patriae]]'' lehnte er jedoch ab. Erst ab dem 10. März 15 bekleidete er das Amt des ''[[Pontifex Maximus|pontifex maximus]]''. Da es sich um die historisch erste Übertragung der an Augustus persönlich verliehenen Amtsgewalten handelte, war es noch nicht endgültig entschieden, dass die Institution des Prinzipats eine dauerhafte werden sollte. Der Senat akzeptierte jedoch widerspruchslos die Amtsstellung des Kaisers und fügte sich zunehmend in dessen Autorität.
 
Unmittelbar zu Beginn der Kaiserherrschaft des Tiberius wurde [[Agrippa Postumus]] ermordet. Bereits in der Antike wurde spekuliert, ob Tiberius für die Ermordung verantwortlich war, ob Augustus angeordnet hatte, Agrippa Postumus nach seinem Tod beseitigen zu lassen, oder ob Livia die Herrschaft für ihren Sohn sichern wollte.<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#22 22].</ref> [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]] legt eine Mitschuld des Tiberius nahe.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#6 1,6]: ''Primum facinus novi principatus fuit Postumi Agrippae caedes'' – „Die erste Tat der neuen Herrschaft war die Ermordung des Agrippa Postumus“.</ref> Tiberius bestritt jedoch die Verantwortung für den Mord. Noch 14 n. Chr. machte Tiberius dem [[Kappadokien|kappadokischen]] König [[Archelaos (Kappadokien)|Archelaos]], von dem er sich während der schwierigen Zeit in Rhodos nicht genug beachtet fühlte, den Prozess.
 
=== Meuterei der Legionen und Marserfeldzug ===
 
Unmittelbar nach Tiberius’ Herrschaftsantritt kam es zu einer Meuterei der in Pannonien und Germanien stationierten Legionen. Gründe für den Aufstand waren die Härte des Dienstes, die Länge der Dienstzeit und der geringe Sold.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#17 1,17]; [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#26 1,26]; [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#31 1,31,4].</ref> Diese Missstände gingen zurück auf die Politik des verstorbenen Augustus und dessen strenge Reaktionen auf den Pannonischen Aufstand und die Varusniederlage. Während Tiberius’ Sohn Drusus die Lage in Pannonien ohne größere Komplikationen beruhigen konnte, hatte Germanicus zunächst große Mühe, die ihm in Germanien unterstellten Legionen wieder unter Kontrolle zu bringen, die ihn statt Tiberius zum neuen Princeps ausrufen wollten.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#31 1,31,3].</ref> Die [[Legio XIIII Gemina|Legio XIV ''Gemina'']] verweigerte den Treueeid, und in einem Sommerlager schlossen sich die zusammengezogenen vier Legionen des niedergermanischen Heeres dem Beispiel an. Germanicus blieb Tiberius gegenüber loyal und weigerte sich, den auf einen Staatsstreich gerichteten Forderungen nachzukommen. Schließlich beendete er die Meuterei mit zahlreichen Zugeständnissen im Namen des Princeps, ohne sich jedoch zuvor bei Tiberius rückversichert zu haben. So sagte er beschleunigte Dienstentlassungen und Geldgeschenke an die Soldaten zu. Um ein mögliches Wiederaufleben der Meuterei zu verhindern und zugleich eine Strafexpedition für die Varusniederlage durchzuführen, initiierte er im Herbst des Jahres 14 einen Feldzug gegen die [[Marser (Germanien)|Marser]]. In diesem Feldzug erlitten seine Legionen nur geringe Verluste.
 
Tiberius reagierte ambivalent.<ref>Ralf Günter Jahn: ''Der Römisch-Germanische Krieg (9–16 n. Chr.)''. Dissertation, Bonn 2001, S. 210.</ref> Einerseits betrachtete er den Sieg über die Marser als Erfolg, denn es war Germanicus gelungen, das Heer zu disziplinieren. Andererseits lehnte er das eigenmächtige Vorgehen des Germanicus ab, zumal dessen neu gewonnener Ruhm die Position des Tiberius im Heer schwächte.
 
=== Abbruch der Expansion an Rhein und Donau ===
 
Unter [[Augustus]] und zu Beginn der Herrschaft des Tiberius wollte Rom die ''[[Varusschlacht|clades Variana]]'' korrigieren, zumindest aber die aufrührerischen Germanenstämme formell unterwerfen und die Deserteure bestrafen, allein schon zur Abschreckung künftiger Aufrührer. Diese Ziele wurden jedoch nicht erreicht. Die Römer hatten Glück, dass die anderen Fronten während dieser Zeit ruhig blieben, denn das römische Heer war nicht groß genug, um auf Dauer acht [[Römische Legion|Legionen]] an der Germanenfront bereitzuhalten. Die Katastrophe des [[Publius Quinctilius Varus|Varus]], der im Jahr 13 v. Chr. zusammen mit Tiberius das Konsulat innegehabt hatte, und das von [[Germanicus]] im Jahre 14 vorgefundene Problem der Militärrevolten ließen Tiberius von der Grenzverschiebung in Richtung [[Weser]] und [[Elbe]] endgültig Abstand nehmen. Der illusionslose Germanienkenner Tiberius ging im Gegensatz zu Germanicus zu einer defensiven Grenzpolitik über, die die Germanen ihrem inneren Streit überließ und sich auf die Behauptung eines der Grenze vorgelagerten Gebietes beschränkte. Tiberius erkannte, dass Rom die germanische [[Arminius]]-Koalition allein schon aufgrund der logistischen und topographischen Gegebenheiten nicht ohne beträchtliche Mittelaufstockung besiegen konnte. Die römischen Truppen konnten sich bei einem Vormarsch nicht aus dem Lande ernähren, und der Landkriegsführung standen durch die weiten Wege und Transporte bei den kurzen Feldzugszeiten nahezu unüberwindbare Schwierigkeiten und Risiken entgegen.
 
Tiberius gebot den zum Teil verlustreichen [[Germanicus-Feldzüge|Unternehmungen des Germanicus]] in den Jahren 15 und 16 Einhalt und rief ihn nach Rom zurück. Er berief sich dabei angeblich auf den Rat des Augustus, das Reich in seinen gegenwärtigen Grenzen zu belassen ''(consilium coercendi intra terminos imperii)''.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#11 1,11].</ref> Die Historizität des ''consilium coercendi'' wird allerdings in der modernen Forschung angezweifelt,<ref>Dietmar Kienast: ''Augustus. Prinzeps und Monarch.'' 3., durchgesehene und erweiterte Auflage. Darmstadt 1999, S. 373f.; zur Grenzproblematik vermutet Karl Christ: ''Zur augusteischen Germanienpolitik.'' In: ''Chiron'' 7, 1977, S. 149–205, besonders S. 198 ff., mit Grenze sei der Rhein gemeint. An den Orient denkt wiederum Dieter Timpe: ''Der Triumph des Germanicus. Untersuchungen zu den Feldzügen der Jahre 14–16 n. Chr. in Germanien.'' Bonn 1968.</ref> unter anderem, weil die offizielle Darstellung des Augustus gegenüber dem Senat in den ''[[Res Gestae Divi Augusti]]'' einen derart weiten Entscheidungsspielraum des Kaisers auszuschließen scheint. Auch ist unsicher, ob mit ''intra terminos'' die West- oder die Ostgrenze des Reichs gemeint sei und ob es sich im ersteren Fall um die Elbgrenze oder die Rheingrenze handele.
 
Tiberius bewilligte dem Germanicus einen aufwändigen [[Römischer Triumph|Triumph]] über die Germanen, den dieser am 26. Mai 17 in Rom abhielt. Tiberius wollte damit einerseits Germanicus eine feierliche Anerkennung seiner Gesamtleistungen zuteilwerden lassen, andererseits den faktischen Abbruch der Offensive als außenpolitischen Erfolg darstellen. Paradoxerweise erwies gerade die Katastrophe der [[Varusschlacht]] die Beständigkeit der römischen Grenze am [[Rhein]], um derentwillen die Eroberung Germaniens begonnen worden war. Durch die Abberufung des Germanicus (16 n. Chr.) setzte sich die neue außenpolitische Linie des Tiberius durch, die in der ''[[Tabula Siarensis]]'' (19 n. Chr.) ihren Niederschlag finden sollte: Befriedung Galliens, Vergeltung für die Varusniederlage, Rückgewinnung der Feldzeichen, jedoch nicht mehr die Eroberung des rechtsrheinischen Germanien. Diese Politik fand mit dem Tod des Tiberius (37 n. Chr.) ihr Ende, sein Nachfolger [[Caligula]] unternahm wieder (erfolglose) Expeditionen in das germanische Kerngebiet.
 
=== Orientreise und Tod des Germanicus ===
 
Nach seinem Triumph reiste Germanicus im Auftrag des Tiberius in den Osten des Reiches, um die politischen Verhältnisse aus römischer Sicht zu ordnen. [[Kappadokien]] wurde zur römischen Provinz. Germanicus erhielt ein spezielles ''imperium,'' das zwar über dem aller anderen Prokonsuln stand, aber unter dem des Tiberius. Über Griechenland und Kleinasien gelangte er nach Syrien, von dort nach Ägypten, zum großen Missfallen des Tiberius, da es keinem Senator erlaubt war, die für die Getreideversorgung Roms wichtige Provinz [[Aegyptus]] zu betreten, die als persönliches Eigentum des Kaisers betrachtet wurde. Nach der Rückkehr nach Syrien erkrankte Germanicus in [[Antiochia am Orontes|Antiochia]] und starb dort im Jahr 19. Schnell kamen zahlreiche Gerüchte auf, wie es zum Tod des Germanicus gekommen sei.
 
[[Datei:Great Cameo of France CdM Paris Bab264 n1.jpg|miniatur|Der thronende Tiberius empfängt den siegreichen Germanicus, sogenannte ''[[Grand Camée de France]]'', Cabinet des Médailles, Paris]]
 
Aufgrund eines Konkurrenzverhältnisses zu Germanicus wurde insbesondere der Statthalter der Provinz [[Syria]], [[Gnaeus Calpurnius Piso]], beschuldigt, Germanicus vergiftet zu haben. Giftmordanklagen waren im kaiserzeitlichen Rom häufig und wegen der eingeschränkten Untersuchungsmethoden letztlich nicht nachweisbar. [[Gnaeus Sentius Saturninus (Suffektkonsul 4)|Sentius Saturninus]] beschuldigte Martina, eine Freundin der Gattin des Piso, des Giftmordes an Germanicus. Aufgrund der Entsendung des Germanicus und der Ernennung Pisos vermutete man in Rom ein Komplott, da vor allem Tiberius und Livia daran interessiert gewesen seien, den populären Germanicus zu beseitigen, um Tiberius’ Sohn Drusus die Nachfolge zu sichern. Tiberius verhielt sich zuerst zurückhaltend, worauf seine Kritiker Gerüchte verbreiteten, er habe die Nachricht über den Tod des Germanicus innerlich mit Freude und Genugtuung aufgenommen. Deshalb ließ Tiberius eine Erklärung veröffentlichen, in der er erläuterte, dass viele erlauchte Römer für den Staat gestorben seien; diese seien sterblich, ewig sei nur das Gemeinwesen ''(principes mortales – rem publicam aeternam)''. Jedoch ließen die Gerüchte und Forderungen nach Bestrafung des Schuldigen nicht nach, vor allem, weil die als „Giftmischerin“ beschuldigte Martina auf ihrem Weg von Syrien nach Rom in [[Brindisi|Brundisium]] selbst an Gift gestorben war und in ihrem Haar verstecktes Gift gefunden wurde.
 
Angesichts dieser Indizien, auch mit Blick auf die Gerüchte um sein eigenes mutmaßliches Motiv (sein Sohn Drusus war mit Germanicus’ Tod unangefochtener Nachfolger geworden), sah sich Tiberius schließlich veranlasst, Anklage gegen Piso zu erheben. Tiberius forderte in diesem Prozess die Senatoren auf, unparteiisch zu sein. Piso fand jedoch weder vor dem Senat noch bei seinen engsten Freunden Rückhalt und wurde noch vor Prozessende tot aufgefunden. Die Umstände sind unklar. Die früher nur literarisch bekannten Einzelheiten des Prozesses sind durch einen Inschriftenfund um 1990 ergänzt worden.<ref>[[Werner Eck]], Antonio Caballos, Fernando Fernández: ''Das Senatus consultum de Cn. Pisone patre.'' München 1996.</ref> Die in Spanien gefundene Inschriftentafel enthält einen Senatsbeschluss im Anschluss an den Piso-Prozess. Der Giftmordvorwurf ist im Senatsbeschluss angedeutet; der offizielle Vorwurf gegen Piso war allerdings bewaffneter Aufruhr. Die Berufung des Tiberius auf sein Gerechtigkeitsempfinden ''([[aequitas]])'' ist deutlich hervorgehoben. Kopien des Senatsbeschlusses wurden in allen Legionslagern und Provinzhauptstädten des Reiches aufgestellt.
 
=== Rom und Italien ===
 
Tiberius bemühte sich zu Beginn seiner Regierung um Legitimation und ein gutes Verhältnis zu [[Römischer Senat|Senat]] und [[Eques|Ritterstand]], dessen Privilegien (Tragen des Goldringes, bevorzugte Sitze bei Spielen) bewahrt blieben. Er übertrug dem Senat das Wahlrecht von Amtsträgern, das bis dahin nominell von der stadtrömischen Bürgerschaft ausgeübt worden, unter Augustus aber faktisch ein Privileg des Kaisers geworden war.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann1.shtml#15 1,15,1]; siehe hierzu auch Greg Rowe: ''Princes and Political Cultures. The New Tiberian Senatorial Decrees''. Ann Arbor 2004.</ref> Auch vermied es Tiberius, lediglich den Senatsausschuss zu befassen, mit dem Augustus vorher anstelle des gesamten Gremiums verhandelt hatte. Der Versuch, stattdessen dem Senatsplenum größere Entscheidungsmöglichkeiten einzuräumen, scheiterte jedoch am Ungleichgewicht der Macht und am Kampf der verschiedenen Gruppen um Einfluss, vor allem in der Frage der Nachfolge. Es bildeten sich Parteiungen gegenüber einzelnen Mitgliedern der Kaiserfamilie oder anderen einflussreichen Persönlichkeiten, wie [[Lucius Aelius Seianus|Seianus]], heraus, die zu gegenseitigen Unterstellungen und Anfeindungen führten. Bereits im Jahr 16 wurde [[Marcus Scribonius Libo Drusus|Libo Drusus]], ein Urenkel des [[Gnaeus Pompeius Magnus|Pompeius]], einer Verschwörung gegen die Kaiserfamilie verdächtigt und zum Selbstmord gezwungen. Im selben Jahr ließ Tiberius den Sklaven [[Clemens (Sklave)|Clemens]], der sich für Agrippa Postumus ausgegeben und in Italien eine beachtliche Schar Anhänger um sich gesammelt hatte, beseitigen.
 
Tiberius setzte den konservativen Kurs des Augustus in der Religionspolitik fort. [[Magie]]r und [[Astrologe]]n ließ er im Jahr 16 aus Italien ausweisen, obwohl er selbst Astrologie praktiziert haben soll und bei Entscheidungen häufig den Rat des Philosophen und Astrologen [[Thrasyllos (Philosoph)|Thrasyllos]] einholte, mit dem er befreundet war. Des Weiteren ging Tiberius im Jahr 19 scharf gegen den [[Isis]]kult und das [[Judentum]] vor, nachdem es zu angeblich religionsbedingten Unruhen und Störungen der öffentlichen Ordnung gekommen war. 4.000 jüdische [[Freigelassene]] wurden nach [[Sardinien]] gebracht, um dort gegen sardische Räuber militärisch eingesetzt zu werden. Die restlichen Juden wurden gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören oder Italien zu verlassen.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann2.shtml#85 2,85].</ref> Jedoch gelang es Tiberius nicht, den jüdischen Glauben in Rom und Italien langfristig zu unterbinden.
 
=== Provinzen und Klientelstaaten ===
 
Tiberius war in der Verwaltung des Reiches erfolgreich.<ref>So [[Barbara Levick]]: ''Tiberius the Politician.'' 2. Auflage. London 1999, S. 125–147; relativierend Wolfgang Orth: ''Die Provinzialpolitik des Tiberius.'' Dissertation, München 1970.</ref> Er setzte den von Augustus am Ende seiner Herrschaft eingeschlagenen konservativen, auf die Bewahrung des Bestehenden ausgerichteten Kurs fort. Tiberius berief sich ebenso wie Augustus auf die Herrschertugenden ''[[Virtus (Gottheit)|virtus]]'', ''clementia'', ''iustitia'' und ''pietas'' („Exzellenz“, „Milde“, „Gerechtigkeit“ und „Ehrerbietung“). Jedoch war die Propaganda in [[Inschrift]]en und auf [[Münze#Römische Münzen|Münzen]] zusätzlich durch Schlagwörter wie ''[[Salus (Mythologie)|salus]]'' und ''moderatio'' („Wohlergehen“ und „Zurückhaltung“) gekennzeichnet, die als Leitbilder seiner Regierung moderne Verwaltungsziele widerspiegeln, etwa eine ausgewogene, dezentrale Wirtschaftspolitik.
 
Statthalter wurden weit über die übliche einjährige Amtszeit hinaus auf ihren jeweiligen Posten belassen, wodurch eine größere Kontinuität in der Provinzverwaltung erreicht wurde. So war beispielsweise [[Lucius Aelius Lamia (Konsul 3)|Lucius Aelius Lamia]] neun Jahre lang Statthalter von Syrien. Er verwaltete dabei die Provinz von Rom aus.
 
Neben dem im Jahr 17 annektierten Kappadokien wurde [[Kommagene]] vorübergehend zur römischen Provinz, bis sie unter [[Vespasian]] endgültig in das Imperium eingegliedert wurde. Außerdem sorgte seit demselben Jahr der [[Numidien|Numider]] [[Tacfarinas]], der aus einer römischen Hilfstruppe desertiert war, für Aufruhr im afrikanischen Teil des römischen Reichs. Er wurde zwar von römischen Truppen im offenen Kampf geschlagen, jedoch erholten sich die Aufständischen wieder und führten fortan verheerende Kleinkriege gegen die römische Besatzungsmacht. Forderungen und Verhandlungen unter der Führung des Tacfarinas nach Land für sich und sein Heer lehnte Tiberius ab. Stattdessen schickte er eine weitere Legion, die [[Legio VIIII Hispana|Legio IX ''Hispana'']], mit dem Befehl nach Afrika, Tacfarinas zu vernichten. Erst sieben Jahre nach ihrem Beginn konnten die von Tacfarinas angeführten Revolten unter [[Publius Cornelius Dolabella (Konsul 10)|Publius Cornelius Dolabella]] endgültig niedergeschlagen werden. Tacfarinas fiel im Kampf, sein Sohn geriet in Gefangenschaft.
 
Die Lebensmittelversorgung, die Steuerbelastungen sowie die Arroganz und Grausamkeit der römischen Statthalter sorgten in [[Gallien]] für Unruhen, die zum [[Aufstand des Sacrovir|Aufstand]] des Häduers [[Iulius Sacrovir]] und des Treverers [[Iulius Florus]] im Jahre 21 führten. Dieser Aufstand wurde jedoch in kürzester Zeit niedergeschlagen. In den Jahren 22 bis 25 wurden rebellische [[Thraker|thrakische]] Stämme mit Erfolg bekämpft. Bemerkenswert ist die militärstrategische Zurückhaltung des Tiberius, denn mit Ausnahme der Feldzüge gegen Aufständische gab es keinerlei große Militäraktionen während seiner Herrschaft.
 
In [[Armenien]], wo sich römische und [[Parther|parthische]] Interessen kreuzten, wurde mit [[Liste der Herrscher von Armenien#Dynastie der Arsakiden|Artaxias III.]] um das Jahr 18 ein neuer König eingesetzt. Rom wollte die Parther in einer ständigen Bedrohungssituation belassen, um ihnen den Anreiz eines Einfalles in [[Kleinasien]], [[Syria|Syrien]] oder [[Palästina (Region)|Palästina]] zu nehmen, was bis zum Tod des Artaxias im Jahre 34 oder 35 gelang. Erst in der sich anschließenden Nachfolgefrage sollte der Partherkönig [[Artabanos II.]] seinen Sohn Arsaces auf den armenischen Thron setzen und Gebietsabtretungen der Römer in Kleinasien fordern. Durch das diplomatische Eingreifen des [[Lucius Vitellius (Vater)|Lucius Vitellius]], Statthalter von Syrien, konnte ein Gebietsverlust jedoch abgewendet werden. Lucius Vitellius griff in den Jahren 35/36 auch in die parthischen Thronwirren ein und konnte [[Tiridates III.]] vorübergehend als König der Parther einsetzen.
 
=== Haushalts- und Finanzpolitik ===
 
[[Datei:Tiberius&Livia Aureus.jpg|miniatur|[[Aureus]] des Tiberius]]
 
Die Haushaltspolitik des Tiberius war durch ein rigoroses Sparprogramm geprägt, in dem keine größeren Bauprojekte vorgesehen waren. Einige wenige Ausnahmen waren Tempel, die zur Demonstration der ''pietas'' dienten, sowie der Bau von Straßen für militärische Zwecke in Nordafrika, Spanien, Gallien, [[Dalmatien]] und [[Moesien]].
 
Tiberius’ Sparsamkeit und seine Abkehr vom Luxus hatten sich bereits in dem gegen Kleidungsluxus gerichteten Senatsbeschluss des Jahres 16 gezeigt, der das Tragen von durchsichtigen Seidengewändern verbot, sowie in einem Gesetz aus dem Jahre 22, das sich gegen den Tafelluxus richtete. Tiberius sah davon ab, seine Popularität durch aufwändige Spiele zu erhöhen, und zeigte sich allgemein bei Spielen gegenüber der stadtrömischen Bürgerschaft desinteressiert.
 
Allerdings war er bei großen Notlagen so spendabel wie kaum ein Politiker vor ihm. Bei den Großbränden in der Stadt Rom in den Jahren 27 und 36 und bei einer [[Tiber]]überschwemmung, die ebenfalls im Jahre 36 eintrat, sowie bei Getreideteuerungen spendete Tiberius Millionen von [[Sesterze]]n. Seine Großzügigkeit in Notsituationen bekamen auch die Provinzen zu spüren: Als ein Erdbeben 17 n. Chr. zwölf [[Asia (Provinz)|asiatische]] Städte vernichtete, darunter [[Sardes]], spendete er zehn Millionen Sesterzen und gewährte einen fünfjährigen Steuererlass.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann2.shtml#47 2,47].</ref> Diese Fürsorge des Tiberius wurde in der Münzprägung ''civitatibus Asiae restitutis'' („für den Wiederaufbau der Städte Asiens“) proklamiert.
 
Von seinem Alterssitz auf [[Capri]] aus griff Tiberius im Jahr 33 in eine Finanzkrise in Rom ein, die vor dem Hintergrund seiner restriktiven Geldpolitik durch illegale Zinserhöhung der Geldverleiher ausgelöst worden war, die zugleich immer weniger Kredite gewährten. Da der Senat die Finanzkrise nicht mit eigenen Mitteln bewältigen konnte, stellte Tiberius [[Kreditvermittler]]n 100 Millionen Sesterzen zur Vergabe von zinslosen Krediten auf drei Jahre zur Verfügung, mit der Bedingung, dass ihre Schuldner dem römischen Staat Grundstücke von doppeltem Wert als [[Hypothek|Sicherheiten]] überschreiben mussten.<ref>Sueton: ''Tiberius'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Tiberius*.html#48 48]. Zur Forschungsgeschichte siehe Colin P. Elliott: ''The Crisis of A.D. 33: past and present.'' In: ''Journal of Ancient History.'' Band 3, 2015, S. 267–281, {{DOI|10.1515/jah-2015-0006}}.</ref> Die Finanzkrise konnte so behoben werden.
 
Aufgrund des rigorosen Sparkurses von Tiberius fand sein Nachfolger [[Caligula]] 2,7 Milliarden Sesterzen in der Staatskasse vor, die dieser allerdings schnell verschwendete.<ref>Sueton: ''Caligula'' [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Suetonius/12Caesars/Caligula*.html#37 37,3].</ref> Tiberius konnte auch daraus finanziellen Gewinn ziehen, dass wegen Majestätsverbrechen verurteilte Senatoren ihr Erbe an den Kaiser abtreten mussten.
 
=== Majestätsprozesse ===
 
Die unter Augustus noch seltenen Anklagen wegen [[Majestätsbeleidigung]] nahmen merklich zu. Auf Grundlage der noch von Augustus eingeführten ''lex Iulia de maiestate'' konnten nicht nur Lebensbedrohungen, sondern auch Schmähungen der Person des Princeps bestraft werden. In den Jahren 14–20 hatte Tiberius sich zunächst noch entschieden gegen die Verfolgung solcher Schmähungen gewandt.
 
Die ersten von Tiberius gebilligten Prozesse wurden vermutlich maßgeblich vom Senat initiiert, dem ein Teil des Gerichtswesens institutionell unterlag. Seit dem Jahr 24 wurden Majestätsprozesse häufiger eingeleitet, obwohl Tiberius das Majestätsgesetz nicht verschärfte. Insgesamt gab es unter seiner Herrschaft etwa 60 Majestätsprozesse.<ref>Ausführlich Cornelia Zäch: ''Die Majestätsprozesse unter Tiberius in der Darstellung des Tacitus.'' Dissertation, Zürich 1971. Siehe zuletzt: Steven H. Rutledge: ''Imperial inquisitions. Prosecutors and informants from Tiberius to Domitian.'' London 2001.</ref> Ihre Anzahl hatte deshalb so sprunghaft zugenommen, weil der unbestimmte Rechtsbegriff der ''laesa maiestas'' so weit ausgelegt wurde, dass schon das Mitsichführen einer Kaisermünze auf dem sanitären Abtritt oder im Bordell Gegenstand einer Anklage werden konnte. Wahrscheinlich handelte es sich dabei eher um einen von vielen Anklagepunkten in einer Reihe von jeweils zur Last gelegten Vergehen. Besonders [[dissident]]e literarische Anspielungen konnten strengstens bestraft werden. So war der Historiker [[Aulus Cremutius Cordus|Cremutius Cordus]] gezwungen, sich durch Nahrungsverweigerung das Leben zu nehmen, da man ihm vorwarf, in seinem Geschichtswerk vorteilhaft auf die Caesarmörder [[Marcus Iunius Brutus|Brutus]] und [[Gaius Cassius Longinus (Verschwörer)|Cassius]] eingegangen zu sein. Brutus hatte er gelobt, Cassius soll er den „letzten Römer“ genannt haben. Die meisten Exemplare des Werks wurden auf Senatsbeschluss verbrannt, später wurde es aber wieder herausgegeben. Nachdem sich [[Gaius Asinius Gallus]], der Ehemann von Tiberius’ erster Frau [[Vipsania Agrippina]], nach dem Sturz von [[Agrippina die Ältere|Agrippina der Älteren]] dem [[Lucius Aelius Seianus|Sejan]] zugewandt hatte, wurde er im Jahr 30 inhaftiert und nach drei Jahren ebenfalls durch Nahrungsentzug getötet.
 
Tacitus beschreibt die Majestätsprozesse als willkürliches Handeln eines [[Tyrannis|Tyrannen]], und diese Deutung ist vor allem in der älteren Forschung weitgehend übernommen worden.<ref>Dazu die grundlegende Studie von [[Jochen Bleicken]]: ''Senatsgericht und Kaisergericht. Eine Studie zur Entwicklung des Prozeßrechtes im frühen Prinzipat.'' Göttingen 1962, der die institutionellen Verflechtungen herausarbeitet und dabei die Rolle des Tiberius noch relativ negativ beurteilt.</ref> Die neuere Forschung dagegen hat sie zunehmend relativiert, da die Darstellung des Tacitus einseitig die institutionelle Verantwortung des Princeps betone und mit Rücksicht auf sein senatorisches Publikum das interne Ränkespiel senatorischer Familien herunterspiele. Es bildete sich erstmals das Phänomen senatorischen [[Delator|Denunziantentums]] heraus, das die Beziehung von Kaiser und Senat bis zum Ende des 1. Jahrhunderts erheblich belasten sollte. Die kurz zuvor von Augustus geschaffene Stellung des Princeps war institutionell noch nicht so weit gefestigt, dass Tiberius eine repressive Politik gänzlich ohne Unterstützung zumindest eines Teils des Senates hätte durchsetzen können. Erst die spätere Unterwürfigkeit des Senats ermöglichte die autokratische Gewaltherrschaft eines [[Caligula]], [[Nero]] oder [[Domitian]].<ref>Vgl. dazu Steven H. Rutledge: ''Imperial Inquisitions. Prosecutors and Informants from Tiberius to Domitian.'' London u. a. 2001; Karl Christ: ''Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin.'' S. 188f.</ref>
 
=== Aufstieg und Fall des Seianus ===
 
Anlässlich des frühen Todes von Germanicus, des designierten Nachfolgers von Tiberius, im Jahr 19 stellte sich erneut die Nachfolgefrage. Das Verhältnis zwischen Tiberius und Germanicus’ Witwe [[Agrippina die Ältere|Agrippina der Älteren]] war gespannt, da sie als Enkelin des Augustus ihre Söhne als potenzielle Nachfolger des Tiberius sah.
 
In dieser Zeit begann der Einfluss des [[Prätorianerpräfekt]]en [[Lucius Aelius Seianus]] zu wachsen. Er baute die von ihm kommandierte [[Prätorianer]]garde zu einem persönlichen Machtfaktor aus, indem er sie in einem einzigen Lager, den [[Castra praetoria]], auf dem [[Viminal]] vor der [[Servianische Mauer|Stadtmauer]] stationierte. Tacitus zufolge vertraute Tiberius Seianus blind, seitdem dieser sich beim Einsturz einer Höhle schützend über Tiberius geworfen hatte.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann4.shtml#23 4,23–25].</ref> Das Seianus-Bild bei Tacitus ist allerdings, wie bei Sueton, äußerst negativ und steht damit im Gegensatz zu der positiven Charakterisierung des Seianus durch seinen Zeitgenossen Velleius Paterculus, der 30 n. Chr. schrieb.<ref>Velleius Paterculus [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Velleius_Paterculus/2D*.html#127 2,127–128].</ref>
 
Seianus plante vermutlich, durch systematische Ausschaltung der natürlichen Erben des Tiberius und Einheirat in dessen Familie selbst Nachfolger des Princeps Tiberius zu werden. Angeblich verleitete er [[Livilla]], die Frau von Tiberius’ Sohn [[Drusus der Jüngere|Drusus]], zum Ehebruch. Im Jahr 23 starb der Thronfolger Drusus an einer Krankheit, wie man allgemein annahm. Im Jahr 31 sagte Apicata, die verstoßene Ehefrau des Seianus, aus, dass dieser Drusus habe vergiften lassen, indem er sich den Lieblingseunuchen des Drusus, Eudamus, hörig machte und mit der Verabreichung des Giftes beauftragte, wie auch einige zeitgenössische Autoren berichteten.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann4.shtml#8 4,8; 4,10].</ref> Apicata wurde allerdings bei dieser Aussage stark unter Druck gesetzt, da sie nicht nur um ihr eigenes Leben, sondern auch um das ihrer Kinder fürchten musste. In der Forschung wird die Beteiligung des Seianus am Tod des Drusus sowie gelegentlich auch das Verhältnis zu Livilla bezweifelt.<ref>Robin Seager: ''Tiberius''. 2. Auflage, [[Malden (Massachusetts)|Malden]] u. a. 2005, S. 227 mit Anm. 15.</ref>
 
Seianus versuchte im Jahr 25, Livilla zu heiraten, wodurch er Mitglied der kaiserlichen Familie geworden wäre. Tiberius lehnte die Heirat jedoch mit Rücksicht auf Vorbehalte in der Kaiserfamilie ab, die eine Verschwägerung mit dem aus dem Ritterstand stammenden Seianus als unstandesgemäß empfand.
 
[[Datei:Tiberius Capri Louvre Ma1248.jpg|miniatur|Marmor-Statue des Tiberius, gefunden auf Capri, heute im [[Louvre]]]]
 
Nachdem seine Heiratspläne vereitelt worden waren, stellte Seianus Tiberius in öffentlichen Reden die Vorteile des ländlichen Lebens außerhalb der Hauptstadt vor Augen. Dem Princeps war die Anwesenheit in Rom mit ihren Intrigen und Streitereien zwischen seinen Familienangehörigen zuwider, vor allem die problematischen Beziehungen zu seiner Mutter Livia und zu Agrippina, der Witwe des Germanicus. Hinzu kamen Angst um seine persönliche Sicherheit und menschenscheues Verhalten. Bereits seit dem Jahr 22 hatte er sich wiederholt in [[Kampanien]] aufgehalten und Drusus die ''tribunicia potestas'' verliehen. Seianus hatte ein entschiedenes Interesse am Rückzug des Kaisers, da er dadurch – praktisch in Stellvertreterfunktion – die Übernahme der Macht vorbereiten konnte. Im Jahr 26 zog sich Tiberius tatsächlich auf die abgelegene Insel [[Capri]] zurück. Seianus kontrollierte von nun an den Zugang zu Tiberius, da seine Prätorianer verantwortlich für die Übermittlung der kaiserlichen Korrespondenz waren.
 
Seianus brachte schließlich seinen Anspruch auf die Thronfolge offen zum Ausdruck, indem er seinen Geburtstag zum römischen Feiertag erklären und sich öffentlich durch Aufstellen von Statuen mit seinem Konterfei ehren ließ. Dadurch stellte er den Kult um seine Person dem des Kaisers gleich.
 
Durchaus in Übereinstimmung mit den Interessen des Tiberius war Seianus wahrscheinlich an Intrigen gegen Agrippina und ihre Parteigänger entscheidend beteiligt. Angeblich ließ er ihren ältesten Sohn und Nachfolgekandidaten [[Nero Caesar]] bespitzeln und durch Mittelsmänner zu unbedachten Äußerungen gegen Tiberius verleiten. Als Folge wurden Nero und Agrippina im Jahre 29 auf die Insel [[Pandataria]] verbannt, wo beide in den Tod gedrängt wurden. Ihr zweiter Sohn [[Drusus Caesar]] verhungerte ein Jahr später im [[Carcer Tullianus|Kerker]]. Einige Forscher sehen jedoch die Beteiligung des Seianus an den nicht genau bekannten Vorwürfen gegen die Familie des Germanicus als allenfalls gering an.<ref>Dieter Hennig: ''L. Aelius Seianus. Untersuchungen zur Regierung des Tiberius''. München 1975, S. 45–52; vgl. David C. A. Shotter: ''Agrippina the Elder – a Woman in a Man’s World''. In: ''[[Historia (Zeitschrift)|Historia]]'' 49, 2000, S. 341–357.</ref>
 
[[Antonia Minor]], die Witwe von Tiberius’ Bruder Drusus, denunzierte schließlich Seianus bei Tiberius mit dem Vorwurf, dieser wolle Gaius, den späteren Kaiser [[Caligula]], beseitigen lassen, um sich als einzigen Nachfolger zu positionieren. Als Reaktion ließ Tiberius im Jahr 31 von Capri aus einen Brief an den Senat schicken, wobei er Seianus, der unlängst zum Consul ernannt worden war, in den Glauben setzte, dass dieser Brief die Übertragung der Amtsgewalten an dessen Person enthielt. Der in Anwesenheit des Seianus verlesene Brief begann mit dessen Verdiensten, endete aber mit Vorwürfen und der Verurteilung des Seianus. Seianus wurde verhaftet und zusammen mit seinen Kindern durch Strangulierung hingerichtet. Sein Leichnam wurde auf die [[Gemonische Treppe]] geworfen, dort vom Mob zerstückelt und anschließend an einem Haken zum [[Tiber]] geschleift, da nach altrömischer Jenseitsvorstellung den im Meer treibenden Toten der Zugang zur [[Unterwelt]] verwehrt war. Es ist unklar, ob Seianus tatsächlich die Ermordung Caligulas plante oder einer Hofintrige bzw. seinen eigenen Machtansprüchen, die ihm Neid und Missgunst einbrachten, zum Opfer fiel.<ref>So Dieter Hennig: ''L. Aelius Seianus. Untersuchungen zur Regierung des Tiberius''. München 1975, S. 145–155; Barbara Levick: ''Tiberius the Politician''. London 1999, S. 173–175.</ref> In den Jahren 31 bis 37 wurden zahlreiche Senatoren und Ritter unter dem Verdacht, die Pläne des Seianus unterstützt zu haben, hingerichtet oder zum Selbstmord gezwungen. Tacitus beschreibt im sechsten Buch der ''Annalen'' eine Atmosphäre voller Terror und Intrigen, bei der es unklar gewesen sei, „ob es bejammernswerter sei, der Freundschaft wegen angeklagt zu werden oder den Freund selbst anzuklagen“.<ref>Tacitus: ''Annalen'' [http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.ann6.shtml#5.6 6,5.6<!-- sic! -->,3].</ref>
 
Nachfolger des Seianus als Prätorianerpräfekt wurde [[Naevius Sutorius Macro]].
 
==Απόσυρση στο Κάπρι==
Τελικά ο Τιβέριος αποσύρθηκε το [[26]] σε ένα εξοχικό του κτήμα στο [[Κάπρι]], χτυπημένος από παράνοια και κατάθλιψη, αφήνοντας τη διοίκηση του αχανούς κράτους στη Σύγκλητο και στους γραφειοκρατικούς μηχανισμούς που είχε στήσει ο προκάτοχός του. Μάλιστα, ασφυκτιώντας με την υπέρμετρη πολιτική ισχύ που του παρείχε η θέση του, επιχείρησε αποτυχημένα να επαναφέρει στη Σύγκλητο τμήμα των παλαιών αρμοδιοτήτων της· οι καιροί όμως είχαν αλλάξει και οι νέοι συγκλητικοί όχι μόνο δεν γνώριζαν πώς να κυβερνήσουν χωρίς την αυτοκρατορική εποπτεία, αλλά ακόμα και οι τάξεις τους είχαν διαφορετική σύνθεση σε σχέση με τους πρώτους χρόνους της διακυβέρνησης του Αυγούστου, αφού η παραδοσιακή συγκλητική αριστοκρατία του [[1ος αιώνας π.Χ.|πρώτου αιώνα π.Χ.]] είχε πια παραγκωνιστεί και αντικατασταθεί από μια νέα ελίτ, ικανότερη αλλά πιστή στο νέο πολίτευμα, η οποία είχε ρίζες στην τάξη των [[Ιππείς|ιππέων]] της ευρύτερης Ιταλίας και μόνο για λόγους γοήτρου αναμιγνυόταν με τις παλαιές, [[ρεπούμπλικα|δημοκρατικές]] συγκλητικές φατρίες<ref name="Intro">''Εισαγωγή στην αρχαιογνωσία'', Τόμος Β', Φριτς Γκραφ, Εκδόσεις Παπαδήμα</ref>. Εν γένει οι ιππείς, από την εποχή του Οκταβιανού ακόμα, ανέλαβαν ενεργότερο ρόλο στη διακυβέρνηση του ρωμαϊκού κράτους και συναποτελούσαν την άρχουσα τάξη μαζί με τους συγκλητικούς, την Αυλή και τους αυτοκρατορικούς απελεύθερους, ενώ η ιππική ιεραρχία εκτελεστικών αξιωμάτων διασταυρωνόταν και επικαλυπτόταν με την παραδοσιακή συγκλητική ιεραρχία<ref name="Intro"/>. Ο Τιβέριος επίσης μετέφερε οριστικώς στη Σύγκλητο και την τελευταία αρμοδιότητα που είχε απομείνει στις Εκκλησίες (Comitia), την τυπική εκλογή των εκτελεστικών αρχόντων.